chefinfo 9-22

64 | CHEFINFO | 9/2022 MANAGEMENT FOTO: JAN WOITAS / DPA / PICTUREDESK.COM Unternehmen wertvollere Entdeckungen mit höheren Gewinnen machen. Keine Geschäftsidee sei auf Anhieb sinnvoll. In dieselbe Kategorie wie Red Bull fallen Dyson (ein „cooler“ Staubsauger), Wikipedia (Autoren schreiben umsonst) oder Star-Bucks (fünf Dollar für einen Kaffee, der zu Hause wenige Cent kostet). „Kein vernünftiger Mensch hätte auch nur einen Cent in diese Pläne investiert“, sagt Sutherland. Das Problem, mit dem Organisationen ab einer gewissen Größe zu kämpfen haben, bestehe darin, dass „diese enge, konventionelle Logik die natürliche Denkweise von risikoscheuen Bürokraten oder Führungskräften ist“. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Man kann nie gefeuert werden, weil man logisch denkt. „Der menschliche Verstand läuft nicht mit Logik, genauso wenig wie ein Pferd mit Benzin läuft.“ Mentale Nähe monopolisiert Heute finden Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie und Evolutionspsychologie mehr Eingang in Produktentwicklungen und Geschäftsstrategien. Umso bewundernswerter erscheint aus heutiger Sicht, dass Mateschitz vor 30 Jahren alle Jetons auf das Feld „Marketing“ gesetzt hat. Drei Jahre tüftelte er an der Strategie und am Design. Die thailändische Mixtur wurde geschmacklich auf westliche Zielgruppen angepasst und leicht mit Kohlensäure versetzt, die schmale Dose mit dem Logo entwickelt und der Slogan „Red Bull verleiht Flügel“ kreiert, der ironisch die Kernbotschaft der Marke auf den Punkt bringt. Das mit Taurin versetzte „Aufputschgetränk“ wurde in manchen Ländern verboten, was die Bekanntheit weiter erhöhte. Forscher bezeichnen Red Bull als eines der kommerziell erfolgreichsten Placebos, die je produziert wurden. Abgefüllt werden die Dosen in der Schweiz und in Österreich und von dort in die ganze Welt versandt. Von Beginn an wurde der Einsatz von Getränkekonzentrat für die Gastronomie abgelehnt. Bis heute zwingt Red Bull Gastronomen dazu, für jedes bestellte Getränk eine Dose zu öffnen und dem Kunden zu geben. Anhand von Testkäufern wird kontrolliert, ob diese Vorgangsweise eingehalten wird. Das Sponsern von Extremsportarten, eines Formel-1-Teams oder dem Fußball diente nur einem Zweck: die Marke größer und bekannter zu machen. „Es ist für jede Marke schwierig, allen Kunden physisch nahe zu sein. Aber die mentale Nähe ist eine andere Sache. Diese kann man effektiv monopolisieren“, sagt Sutherland. Das hat Red Bull zweifellos geschafft. n WIRTSCHAFT. WEITER.DENKEN. www.ditachmair.at Beratungsunternehmen Wien – Linz Wien +43 1 8101461, Linz +43 732 784278 office@ditachmair.at © istockphoto 24.11.2022 Herbstsymposium online PROGRAMM & ANMELDUNG bis 22.11.2022 a.schneider@ditachmair.at Ditachmair_Chefinfo_89x115_24 10 2022.indd 1 24.10.22 13:58 Mateschitz machte nie ein Hehl daraus, dass sein Engagement im Fußball kein Mäzenatentum sei, sondern am Ende in die Marke Red Bull einzahlen müsse. 9/2022 | CHEFINFO | 65 ANZEIGE FOTO: BICHLER Die Ausgangslage bei Bichler war klar und ist für viele Unternehmen dieselbe: „Wie können wir neue Lehrlinge gewinnen?“, schildert Geschäftsführer Christoph Heindl. Eine Frage, die er sich bereits 2017 stellte. Er rief Christian Kaltenböck zurate, der als WIFI-Trainer die richtige Expertise mitbrachte. „Die Stoßrichtung ging am Anfang in Richtung Soft Skills.“ Später gesellten sich Themen wie Nachhilfe dazu. So weit, so üblich. Kaltenböck war aber nicht nur Trainer, sondern baute eine persönliche Beziehung zu den Lehrlingen auf. „Wenn man als Geschäftsführer nachfragt, ist immer alles okay. Ein externer Trainer lernt die Lehrlinge ganz anders kennen und kann mit ihnen anders sprechen.“ Es fehlte also ein Bindeglied zwischen Geschäftsführer und WIFI-Trainer, und diese(r) wurde gefunden. Kulturwandel „Der Gamechanger war, diese Rolle zu besetzen“, ergänzt Günter Znidersic, Produktmanager beimWIFI FIT. Besetzt wurde sie mit Marianne Stieglecker, welche die Rolle der Personalentwicklerin bei Bichler übernahm. „Die Lehrlinge haben Sorgen und Ängste, die sie aber nicht dem Geschäftsführer erzählen wollen. Mein Teil ist es, diese zu bündeln und quasi als Puffer zu agieren. Der weibliche Part war da nicht ganz unwichtig.“ Diese Konstellation führte zu einem nachhaltigen Kulturwandel. „Wir nehmen unsere Auszubildenden ernst, hören ihnen zu und das zeigt Wirkung.“ Der offene und ehrliche Umgang miteinander, spricht sich herum. Es sind vor allem bestehende Lehrlinge, die für den potenziellen Fachkräftenachwuchs sorgen, ohne große PR-Kampagnen. Das bestätigt auch Kaltenböck: „Die Jugend ist vernetzt, und wenn die Ausbildung passt, kommen sie von selbst.“ Bilderbuchkarrieren Lehrlinge, die für Bichler von essenzieller Bedeutung sind, zwölf der 36 Mitarbeiter sind in Ausbildung. Die schulischen Erfolge tragen das ihrige dazu bei: „Zwei sitzen bereits im Meisterkurs. Das ist eine Bilderbuchkarriere“, so Kaltenböck. Für Geschäftsführer Heindl besteht der Erfolgsmix aus Bildungsmaßnahmen, offener Kommunikation und zu einem gewissen Teil auch aus einer Art Übernahme des Elternteils, der zu diesen Erfolgen geführt hat. Ein Part, den Marianne Stieglecker in enger Abstimmung mit dem WIFI-Trainer übernimmt: „Ich habe selbst in einem Großbetrieb gelernt. Wir sind in keinster Weise unterstützt worden. Auch in den Wirren des Tagesgeschäfts ist es ein wichtiger Benefit, dass man die Lehrlinge begleitet und ihnen zuhört. Es ist all die Mühe wert.“ Dem pflichtet Heindl bei: „Wir sind in der glücklichen Situation, dass sie, wenn sie ausgelernt haben, dem Unternehmen treu bleiben. Es lohnt sich, dranzubleiben.“ Für Günter Znidersic ein perfektes Schlusswort, denn: „Es gibt viele Betriebe in einer ähnlichen Situation. Gewisse Probleme lassen sich nicht über Nacht lösen, sondern sie müssen ein System entwickeln.“ Das WIFI FIT hilft dabei. Lehrlinge sorgen für den Lehrlingsnachwuchs: Bei Bichler ist das Ausdruck eines Kulturwandels. Das Credo: „Es ist den Einsatz wert.“ Und es geht doch! LEHRLINGE. Es klingt fast wie ein Traum: Bewerbungen von Lehrlingen, die von selbst kommen. Dem Installationsunternehmen Bichler ist das ge- lungen. Das Erfolgsrezept: Dranbleiben, offen kommunizieren und zuhören. Christian Kaltenböck WIFI-Trainer Die Jugend ist vernetzt, und wenn die Ausbildung passt, kommen sie von selbst.

RkJQdWJsaXNoZXIy NzkxMTUy