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9/2022 | CHEFINFO | 23 22 | CHEFINFO | 9/2022 WIRTSCHAFT FOTOS: SIPHOTOGRAPHY / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, ERWIN WIMMER/RLB OÖ Seit nahezu drei Jahren befindet sich die heimische Wirtschaft in einem fast ununterbrochenen Stresstest. Pandemie, Lieferkettenengpässe, Arbeitskräftemangel, Teuerung – und jetzt die Energieversorgung. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist Energie so teuer wie nie zuvor. „Eine Vervielfachung der Gas- und Strompreise bringt die gesamte europäische Wirtschaft in eine existenzbedrohende Situation, viele Betriebe stehen am Rande des Abgrunds“, sagt Erich Frommwald, Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Große Teile der oberösterreichischen Industrie sind energie- und rohstoffintensiv. Der österreichische Strompreisindex, der Strom-Großhandelspreise erfasst, hat sich im November innerhalb eines Jahres mehr als vervierfacht. Schließung, Produktionsstopp Die Energiepreisexplosion hat bereits zwei prominente Opfer aus Oberösterreichs Industrie gefordert. Der Faserhersteller Lenzing musste Mitte September in seinem Werk in Heiligenkreuz (Burgenland) die Reißleine ziehen. Die Produktion wurde gedrosselt, zwei von drei Produktionslinien heruntergefahren. Ein Großteil der 340 Mitarbeiter wurde zur Kurzarbeit angemeldet. 90 Prozent der eingesetzten Energie ist Erdgas, das teuer am Spotmarkt eingekauft werden musste. Auch die Linz Textil sieht sich aufgrund nicht mehr international wettbewerbsfähiger Energiekosten gezwungen, eine hochwertige Baumwollspinnerei in Landeck (Vorarlberg) mit März 2023 dauerhaft zu schließen. Insbesondere der Kostenvorteil asiatischer Mitbewerber sei unüberbrückbar hoch geworden. Für die betroffenen Beschäftigen wird es einen Sozialplan geben. „Was die Energiekosten betrifft, kann hier derzeit von einer absoluten Ausnahmesituation für Unternehmen und den europäischen Standort allgemein gesprochen werden. Eine Weitergabe der Preissteigerungen ist in diesem Ausmaß vielfach nicht ENERGIEKOSTEN. Für viele heimische Unternehmen bedeutet die Verteuerung von Gas und Strom eine Existenzbedrohung. Es braucht rasche Lösungen auf nationaler und EU-Ebene. Sonst droht eine De-Industrialisierung. TEXT: Klaus Schobesberger CHEFINFO: In der Wirtschaft herrscht Alarmstimmungwegen der steigenden Energiekosten. Die Firmenpleiten mehren sich. Sie haben als Bank einen guten Einblick in die Lage. Wie dramatisch ist die Lagewirklich – vor allemunter KMU? Heinrich Schaller: Die stark steigenden Energiekosten sind natürlich ein Problem, mit dem jedes Unternehmen konfrontiert ist. Hier muss man abwarten, wie sich das Ganze in den nächsten Monaten entwickelt. Bei den Firmeninsolvenzen gibt es derzeit einen Nachzieheffekt, weil die Coronahilfen dazu geführt haben, dass manche Firmen mit Problemen länger überlebt haben als in normalen Zeiten. Aber in Summe bleiben die Insolvenzen derzeit unter dem Durchschnitt. Es wäre also übertrieben, die aktuelle Situation bei den Firmeninsolvenzen als „dramatisch“ zu bezeichnen. Wir gehen ins vierte Krisenjahr, eine Stagflation steht ins Haus. Wie sind Unternehmen auf den Abschwung vorbereitet? Schaller: Nicht nur die großen Industriebetriebe, sondern auch die KMU haben aus den vergangenen Krisen gelernt und sich stabil aufgestellt. Da geht es nicht nur um Eigenkapital, sondern auch viel um die generelle Organisation und Flexibilität innerhalb der Betriebe. Wie reagieren und helfen Sie als Bank? Sehen Sie erhöhten Kapitalbedarf bei Unternehmen? Schaller: Nächstes Jahr werden große Herausforderungen auf die Wirtschaft zukommen. Als Bank haben wir die Aufgabe, dass wir gemeinsam mit unseren Kunden Konzepte entwickeln, wie man am besten mit diesen Herausforderungen umgeht. Wichtig ist hier zum Beispiel, dass man als Unternehmen die betriebswirtschaftlichen Daten und Zahlen immer aktuell hält. Das erleichtert es natürlich, richtig und vorausschauend reagieren zu können. Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Entwicklung 2023/24 ein? Schaller: Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession im Jahr 2023 ist meiner Meinung nach größer als 50 Prozent. Allerdings erwarte ich keine abrupte Bauchlandung wie in der Finanzkrise 2008, sondern einen Prozess über mehrere Monate. Das gibt den Unternehmen die Chance, zu reagieren. Wir müssen uns aber sicherlich darauf vorbereiten, dass die Anzahl der Insolvenzen in den Jahren 2023 und 2024 steigen wird, das bringt ein starker wirtschaftlicher Abschwung leider mit sich. Wirtschaft im STRESSTEST INTERVIEW. RLB-OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller über die Lage in der Wirtschaft und die Aussichten für 2023. „Firmen haben aus Krisen gelernt“ Heinrich Schaller, Generaldirektor, RLB OÖ: „Nächstes Jahr werden große Herausforderungen auf die Wirtschaft zukommen.“ Ô

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