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20 | CHEFINFO | 9/2022 TIKTOK FÜR UNTERNEHMEN. Adil Sbai gründete mit WeCreate die erste TikTok Agentur im deutschsprachigen Raum in Hamburg und hob in Wien mit influData die umfassendste Influencer-Suchmaschine der Welt aus der Taufe. Sbai darüber, wie man TikTok als Unternehmen nutzt, was zu beachten ist und über die Grenze zwischen Mehrwert und Peinlichkeit. INTERVIEW: Jürgen Philipp „Generation Z hat einen Bullshit-Detektor“ COVERSTORY CHEFINFO: Wie können Unternehmen von TikTok profitieren? Adil Sbai: In erster Linie bei der Mitarbeitersuche. Man spricht nicht mehr von Arbeitslosigkeit, sondern von Arbeiterlosigkeit. Auch wenn es auf TikTok schon spannende B2B-Cases gibt, ist Recruitment das Hauptziel von Unternehmen auf der Plattform. TikTok ist hochgradig potent, wenn es um die Generation Z geht. Keine andere Plattform ist so beliebt. Im Schnitt verbringen die User 90 Minuten am Tag auf TikTok. Der Algorithmus ist sehr schlau undWerbung kostet nicht viel. Die User sehen den Content, der zu ihnen passt. Wenn etwa jemand vor dem Abi steht, ist man für den Arbeitsmarkt natürlich interessant, der Algorithmus versteht das. Das hat, wenn man es richtig macht, sofort einen Impact. Einer unserer Kunden erzielte eine substanzielle Steigerung an Bewerbern durch eine TikTok-Kampagne. Dabei ging es um mehrere Videos, welche die reale Arbeit gezeigt haben, keine Augenauswischerei und keine Hochglanzwelt, wie es andere Firmen oft machen. Die Generation Z hat einen Bullshit-Detektor. Ist etwas nicht authentisch, machen sie sich über das Video lustig. Was muss man als Unternehmen beim Generieren von TikTok-Content beachten? Sbai: Unternehmen müssen umdenken. Einen Obstkorb zur Verfügung zu stellen ist Old School. Die Generation Z will Freiheit und Flexibilität und sie ist nicht faul. Man muss daher ein wenig selbstironisch vorgehen, mit einem Augenzwinkern, aber auf Augenhöhe. Es gibt einige erfolgreiche witzige Formate von Unternehmen, etwa wenn der Chef sich selbst vor die Kamera stellt. Allerdings sollten das Chefs sein, die sich selbst nicht zu ernst nehmen. Eine Volksbank Hessen ist nicht N26 und dennoch erzielen sie mit gutem TikTok-Content einen spürbaren Effekt. Einen Effekt durch gute und ehrliche Performance. Wie sollen Unternehmen TikTokKampagnen anlegen bzw. können sie das überhaupt? Sbai: Zuerst einmal sollten sie schauen, ob es interne Ressourcen gibt. Man muss nicht viel Geld für Agenturen in die Hand nehmen, sondern schauen, ob man selbst Leute hat, die das können. Dann geht es in die Grundrecherche, um einen Plan zu finden, wenn man den Plan hat, spart man sich viel Zeit. Natürlich kann man Agenturen zurate ziehen, es gibt Agenturen, die helfen beim Kreativen, welche, die beim organischen Wachstum unter die Arme greifen, und solche wie wir, die eigene Creators haben. Aber zuerst sollte man intern schauen: Was haben wir und was wollen wir? Wenn man Mitarbeiter hat, die Megabock haben, ein Konzept auszuarbeiten oder selbst Creators sind, dann sollte man diese Ressourcen nutzen. Dann muss man das richtige Setting schaffen. Es reicht schon ein kleines Invest für Kamera, Green Screen und Equipment. Idealerweise richte ich einen kleinen Raum dafür ein. Wenn es keine internen Ressourcen gibt, kann man sich Creators einkaufen, aber natürlich auch Mitarbeiter fortbilden. Und nicht vergessen: Man macht das nicht für TikTok allein, sondern bespielt mit dem Content zwei weitere Kanäle wie Instagram Reels oder YouTube Reels, die ebenfalls auf das displayfüllende 9:16-Format setzen. Damit schlägt man drei Fliegen mit einer Klappe. Auch Wahlkämpfe scheinen ohne den Einsatz von TikTok nicht mehr vorstellbar. Manch ein Politiker macht sich dabei regelrecht „zum Affen“. Muss man das, um aufzufallen? Sbai: Sich zum Affen machen ist nicht nötig. Wir haben etwa mit Christian Wulff gedreht und eine inhaltliche Ebene gefunden. Wenn man diese inhaltliche Ebene gefunden hat, ist es nicht peinlich. Er hat nichts mit Trends und Tänzen gemacht. Mit einem Augenzwinkern – ja –, aber sich zum Affen machen – nein. Sonst ist es cringe. Man muss sich immer fragen: Wofür will man stehen? Stichwort Trends: Wie entstehen diese bei TikTok? Sbai: TikTok macht die heutige Popkultur. Trends poppen innerhalb weniger Tage auf. Madonna – Trendsetterin der analogen Welt – brauchte dafür Monate. Die Kunst ist es, den jeweiligen Trend zu verstehen und auf sich zu adaptieren. Die großen Creators nehmen eine Entwicklung, einen Trend und passen ihn an ihre Person an. Man nimmt den Trend und packt ihn in die Welt des Protagonisten. Einfach nur mitzumachen wäre stumpf, jeder kann tanzen. Die Kunst ist also, wie ich das in meine Welt holen kann. Die User sehen dann: Die haben uns verstanden. Es geht bei TikTok immer um Mehrwert. Die drei groben Ziele sind: Inspiration, Infotainment und reine Unterhaltung. Wenn der Content nichts von dem erfüllt, ist es schnell eine Art Selbstbeweihräucherung. n Adil Sbai gründete WeCreate, die erste TikTok-Agentur im DACH-Raum, sowie influData, das größte Influencer-AnalyseUnternehmen mit Sitz in Wien und Hamburg. Adil Sbai CEO WeCreate TikTok ist die heutige Popkultur. Trends poppen innerhalb weniger Tage auf. Madonna – Trendsetterin der analogen Welt – brauchte dafür Monate. 9/2022 | CHEFINFO | 21 FOTOS: DIMITRIS66 / DIGITALVISION VECTORS, OLE BADER / SANDWICHPICKER-BERLIN.COM

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