Chefinfo Magazin 7-22

FINANZEN FOTOS: XXXXXXXX FOTOS: SKYNESHER / E+ / GETTY IMAGES, ANDREAOBZEROVA / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS 7/2022 | CHEFINFO | 49 SCHULEN. Um das Wirtschaftswissen und um die ökonomischen Life Skills der jungen Menschen steht es nicht gut, sagt Bildungsforscher Georg Hans Neuweg. Im Interview erklärt er, wo im Bildungssystem angesetzt werden muss. INTERVIEW: Klaus Schobesberger Die Finanzbildung in Österreich liegt imArgen, sagt Georg Hans Neuweg, Vorstand des Instituts für Wirtschafts- und Berufspädagogik an der Johannes Kepler Universität Linz. Rund ein Viertel der Schüler kann seinen Kontoauszug nicht lesen, keine Mängelrüge an den Installateur verfassen und den Inhalt des Vertrages nicht verstehen, den sie mit einem Mobilfunkanbieter abgeschlossen haben, sagt Neuweg im Gespräch mit CHEFINFO. CHEFINFO: Vertreter ausderWirtschaft beklagen mangelndes ökonomisches Wissen bei jungen Menschen und plädieren fürmehr Finanzbildung bei Schülern. Wie beurteilen Sie diese Einschätzung und können Sie die Kritik als Kenner des Schulsystems nachvollziehen? Georg Hans Neuweg: Welchen geringen Stellenwert die wirtschaftliche Bildung in Österreich hat, können Sie schon daran ablesen, dass uns wichtige Daten zur Beantwortung Ihrer Frage fehlen. Bei PISA wird seit 2012 optional auch die Finanzkompetenz der Schüler getestet. Erst heuer aber hat Österreich sich erstmals an diesem Zusatzmodul beteiligt. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein. Bisherige Daten aus österreichischen Untersuchungen, etwa der ÖNB, lassen vermuten, dass der Umgang mit Finanzdienstleistungen, also der Komplex Sparen/Veranlagen, Kredite und Versicherungen, ein echtes Problem darstellt. Das ist schon deshalb so, weil vielen jungen Menschen die Allgemeinbildung fehlt, die sie brauchen, um wirtschaftliche Angelegenheiten regeln zu können. Wir haben, wenn man den „PISA 2018“-Daten folgt, beim Lesen 24 Prozent Risikoschüler, in Mathematik 21 Prozent. Diese Menschen können ihren Kontoauszug nicht lesen, keine Mängelrüge an den Installateur verfassen und verstehen den Inhalt des Vertrages nicht, den sie mit einem Mobilfunkanbieter abgeschlossen haben. Und kein einziger Unterstufenschüler wird gezielt in Wirtschaft unterrichtet, weil es in Österreich dafür kein Unterrichtsfach gibt. Wirtschaft wird von den Schlechte Noten bei Finanzbildung 45 Prozent der Europäer können sechs Prozent Zinsen für ein 50.000-Euro-Darlehen nicht ausrechnen. FINANZEN Geografie-Lehrkräften mehr oder weniger nebenbei mit unterrichtet. Die Klagen sind also nachvollziehbar. Um das Wirtschaftswissen und um die ökonomischen Life Skills der jungen Menschen steht es tatsächlich nicht gut. Warum wurde das Thema bei uns so lange vernachlässigt, und wo steht Österreich hier im Vergleich zu anderen Ländern? Neuweg: Wir haben europaweit ein Problem. Die österreichischen Daten unterscheiden sich von OECD-Daten nicht wirklich. Der damalige EU-Kommissar Tonio Borg hat schon 2012 darauf hingewiesen, dass sage und schreibe 45 Prozent der Europäer sechs Prozent Zinsen für ein 50.000-Euro-Darlehen nicht ausrechnen können. Und das ist nicht nur ein Problem der bildungsfernen Schichten. Etwa die Hälfte der österreichischen Oberstufenschüler scheitert an der Frage, wie hoch nach einem Jahr der Zinsgewinn eines Guthabens von 1.000 Euro ist, wenn dieses bei 25 Prozent KESt mit zwei Prozent jährlich verzinst wird. Aber es gibt Hoffnung. Im deutschen Baden-Württemberg wurde inzwischen ein eigenes Schulfach Wirtschaft eingeführt, und in Österreich wurde eine Stiftung Wirtschaftsbildung gegründet, die hoffentlich Positives bewirken kann. Warum ist finanzielle Bildung gerade heute wichtig? Neuweg: Finanzielle Bildung muss absichern, dass Menschen durch privates Liquiditätsmanagement ihr finanzielles Gleichgewicht wahren können, über einfache Sparprodukte hinaus Veranlagungsformen und deren Vor- und Nachteile kennen, um ihre Ersparnisse einkommens-, lebenssituations- und zielgerecht veranlagen zu können. Eine zunehmend wichtigere Rolle spielt dabei eine strategisch konzipierte Pensionsvorsorge. Finanzielle Grundbildung muss außerdem die Grundlage für kompetentes Finanzierungsverhalten – z.B. Konsumkredite, Baufinanzierung, Kreditkarten – und Schuldenmanagement legen und Orientierung beim Aufbau eines vernünftigen Versicherungsportfolios bieten. Wo müsste man an den Schulen ansetzen? Neuweg: Es gibt drei zentrale Ansatzpunkte. Erstens müssen möglichst alle Österreicherinnen und Österreicher, wenn sie die Pflichtschule verlassen, lesen, schreiben und rechnen können. Dass man das von jedem Vierten Kein einziger Unterstufenschüler wird gezielt in Wirtschaft unterrichtet, weil es in Österreich dafür kein Unterrichtsfach gibt. Ô Wir brauchen auch Entrepreneurship Education. Mehr Gründungsneigung und -eignung, mehr Mut zum kontrollierten Risiko und mehr Innovationsgeist schaden unserem Land nicht. Georg Hans Neuweg Bildungsforscher

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