Chefinfo Magazin 7-22

vor allem auf Business- und Jobplattformen betrieben werde. „Wir recherchieren interessante Zielfirmen und suchen dort gezielt nach den Führungskräften und Schlüsselpositionen. So finde ich auch Personen, die kein Online-Profil haben. Wir sehen uns den kompletten Markt an.“ Das klassische Headhunting werde wieder mehr, um die geeigneten Kandidaten auch abseits von Social Media zu finden. Trescon sucht zu 50 Prozent Führungskräfte, die andere Hälfte sind Schlüsselpositionen, also Fachkräfte mit besonderen Kompetenzen. Während die Nachfrage der Unternehmen im Führungskräftebereich seit Jahren konstant hoch sei, sei die nach Schlüsselkräften enorm gestiegen. Hauptsächlich „fische“ man im deutschsprachigen Raum, weil oft die Sprache das limitierende sei. „Wir hatten aber auch schon Besetzungen aus Brasilien oder Indonesien“, so Klinger. Derzeit sucht Trescon in Polen gezielt nach MINTKräften und will sie dafür interessieren, nach Österreich zu kommen. Zeit des autoritären Führungsstils ist vorbei Ein weiterer Punkt, warum auch immer mehr Respekt und teils auch Angst vor dem Sprung auf den Chefsessel herrscht: „Führen wird immer schwieriger. Man hat so viele unterschiedliche Themen und Ansprüche der Mitarbeiter“, weiß auch Klinger. „Das individuelle Führen braucht viel Zeit und Energie.“ In flachen Hierarchien ist die Zeit von autoritären Führungsstilen vorbei. Chefs schaffen also nicht mehr nur an, sondern sollen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter die Ziele des Unternehmens verstehen, möglichst motiviert sind und effektiv zusammenarbeiten. Soziale Fähigkeiten sind da ein Muss bis hin zu psychologischen Führungsqualitäten. Wissenschaftler des Imperial College London, der Cornell University und der Harvard University haben für eine Forschungsarbeit Stellenausschreibungen analysiert: In den vergangenen zwei Jahrzehnten wird demnach immer mehr Gewicht auf soziale Fähigkeiten gelegt. Doch so ganz scheint das in österreichischen Unternehmen noch nicht angekommen zu sein. Laut einer Umfrage von Deloitte unter 150 Führungskräften halten zwei Drittel der Befragten beim Recruiting für Spitzenpositionen Führungswillen, breiten Blickwinkel und Entschlossenheit am relevantesten. „Es überrascht nicht, dass die Persönlichkeit der Bewerber eine so große Rolle spielt. Für Spitzenpositionen müssen klare Führungsqualitäten mitgebracht werden“, erklärte Gudrun Heidenreich-Pérez, Director bei Deloitte Österreich, zur Studie. „In einer sich wandelnden Wirtschaft sind Mut zu Innovation und eine gewisse Risikobereitschaft entscheidend für einen langfristigen Erfolg. Doch die heimischen Chefetagen setzen überwiegend auf Sicherheit und klassische Führung.“ Junge wünschen sich einen einfühlsamen Chef Einfühlsamkeit, kommunikative Kompetenz und überlegtes Handeln – das ist das, was sich die 16- bis 29-Jährigen laut einer Umfrage des Instituts für Jugendkulturforschung Wien von ihren Chefs wünschen. Die Zeiten von cholerischen Narzissten, die autoritär bis totalitär eine Abteilung oder Unternehmen führen, ganz egal, wie es den Mitarbeitern geht, sind definitiv vorbei – auch wenn es noch genug solche Exemplare gibt. Kognitive Fähigkeiten, operatives Geschick, Finanz- und Fachwissen – so weit, so gut. Doch beim Thema „Mitarbeiterführung“ fühlen sich viele nicht ausreichend ausgebildet. „Viele Unternehmen haben tolle Akademien und bereiten ihre Führungskräfte gut vor – viele machen es aber auch gar nicht“, bemängelt Klinger. Nicht selten würden Kandidaten sagen: Ich will diese Führungsposition, brauche aber eine entsprechende Zusatzausbildung. Unternehmen bilden ihre Führungskräfte selbst aus Viele Unternehmen setzen seit Langem darauf, ihre Führungskräfte von morgen selbst zu „ziehen“. Teil des Konzepts „Karriere mit Lehre“ bei Hofer ist, dass die Auszubildenden schon während der Lehrzeit erste Führungsaufgaben übernehmen. Besonders engagierte Lehrlinge werden dann in der Hofer Akademie FOTOS: DELOITTE, HOFER, BRIANAJACKSON / STOCK / GETTY IMAGES PLUS 20 | CHEFINFO | 7/2022 COVERSTORY Gudrun Heidenreich-Pérez Director bei Deloitte Österreich Bettina Hauser Leiterin HR-Abteilung Hofer Für Spitzenpositionen müssen klare Führungsqualitäten mitgebracht werden. Allerdings wird das Augenmerk zu sehr auf traditionelle Führungseigen- schaften gelegt. Teil unseres Konzepts ‚Karriere mit Lehre‘ ist es, dass die Auszubildenden schon während der Lehrzeit erste Führungsaufgaben übernehmen. SINNSUCHE & FREIHEIT in der Entwicklung auch von Leadership Skills unterstützt, erklärt die Leiterin der HR-Abteilung Bettina Hauser. „Die BMW Group hat innovative und hochkomplexe Produktions- und Fertigungssysteme, daher legen wir in unserem Werk besonderen Fokus auf die Entwicklung und Förderung von Nachwuchstalenten aus den eigenen Reihen“, sagt Christopher Schuster, Leiter Aus- und Weiterbildung, HRMarketing und Recruiting BMW Group Werk Steyr. Spezielle Programme seien etabliert worden, mit denen man die Führungskräfte von morgen auf die Herausforderungen vorbereite. „Wir setzen schon lange erfolgreich auf die persönliche Entwicklung bestehender Talente.“ Auch das Global Leader Development Programm sei eine Konstante in der Personalbeschaffung. Hierzu betont Schuster: „Dabei ist es uns nicht nur wichtig, die geeignetsten Kandidaten zu finden, sondern auch, auf die individuellen Bedürfnisse der Bewerber einzugehen.“ Denn auch hier bemerkt man: Eine Karriere mit Führungsabsichten sei für „die jüngeren Altersgruppen tendenziell leicht rückläufig“ eine Perspektive. Deswegen sei es „wichtig, eine optimale Work-Life-Integration sowie flexible und gestaltbare Arbeitsbedingungen zu schaffen“. Wer keine Abteilungen hat, braucht keine Abteilungsleiter Auch bei Keba versucht man schon einige Zeit, auf den Trend zum Individualismus einzugehen. Die fixen Abteilungszugehörigkeiten und Hierarchien wurden abgeschafft, „trotzdem gibt es natürlich klare Verantwortlichkeiten“, so Unternehmenssprecherin Katarina Weissengruber. Es ist eine Art Baukastensystem, mit dem die Mitarbeiter ihren Job und ihre Zuständigkeiten ihren Talenten und Interessen entsprechend quasi zusammenbauen. „Genau diese Individualität und Freiheit suchen die Jungen“, ist sie überzeugt. Man baue Leute für Leadership auf, aber nicht in einem klassischen Traineeprogramm. Auf solche setzt man beim Luftfahrtunternehmen FACC sehr wohl und verzeichnet laut Unternehmensangaben eine nach wie vor „sehr gute“ Nachfrage. Keine Spur von Führungsmüdigkeit also? „Unsere Führungskräfte begeistern sich für das Thema ‚Luftfahrt‘ – und legen einen besonderen Stellenwert auf das Thema ‚Nachhaltigkeit‘. Dafür wollen gerade auch junge Führungskräfte gerne Verantwortung übernehmen.“ Hier zieht also offenbar die Arbeit als Sinnquelle. Unternehmen schaffen Active Sourcing nicht mehr Doch wo findet man die geeigneten Kandidaten für die Top-Jobs? Die genannten Unternehmen setzen 35 Prozent der Führungskräfte sind Frauen. COVERSTORY Ô

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