Chefinfo Magazin 7-22

COVERSTORY FOTOS: TRESCON, LIGHTFIELDSTUDIOS / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS FOTO: FOTO WILKE 7/2022 | CHEFINFO | 19 18 | CHEFINFO | 7/2022 COVERSTORY NACHGEFRAGT. Die Führungs- und Unternehmenskulturen müssen sich ändern und den Ansprüchen der Jungen angepasst werden, fordert Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier im CHEFINFO-Interview. CHEFINFO: Es herrscht akuter Fachkräfte- und auch Führungskräftemangel. Junge Bewerber wollen oft nur 30 Stunden pro Woche arbeiten – vor zehn Jahren arbeiteten selbst Praktikanten freiwillig unbezahlt 50 Stunden und mehr. Wie kam es zu dem Change? Bernhard Heinzlmaier: Die Arbeit ist nicht mehr die zentrale Sinnquelle des Lebens. Wir leben zwar in einer arbeitszentrierten Gesellschaft, in der sie nach wie vor quantitativ im Mittelpunkt steht, aber qualitativ gibt es eine Vielzahl von anderen Lebensfeldern, die von Relevanz sind. Man möchte nicht mehr sein ganzes Leben der Arbeit opfern. Die Familie soll nicht nur ein Nebenbei-Ereignis sein, sondern ist ins Zentrum des Lebens gerückt. Sie wurde auch für die Männer aufgewertet. Wollen die jungen Leute von heute zudem immer weniger Verantwortung übernehmen? Heinzlmaier: Sie wollen Verantwortung übernehmen, aber nicht immer. Es gibt zwei Pole, zwischen denen die jungen Leute hin- und herschwanken: Individualismus und Gemeinschaftlichkeit. Von Verantwortung übernehmen kippt es schnell zu „Jetzt geht es mal um mich“. Es wird stark auf die Umweltbedingungen reagiert. Jetzt haben wir die Tendenz, wieder mehr gemeinschaftsorientiert zu sein, weil das in Krisen immer so ist. Wenn sich diese wieder lösen und das Leben wieder einfacher wird, wird es wieder individualistischer. Das Leben einer Führungskraft kann sich auf jeden Fall nicht mehr so abspielen, wie das noch vor 30 Jahren war. Es muss Grenzen haben: Jetzt bin ich mal nicht mehr in der Rolle des Chefs. Die Zeiten, als man rund um die Uhr die Führungskräfte auch um drei Uhr morgens zu Fragen des Geschäftslebens anrufen konnte, sind definitiv vorbei. Die Führungskultur muss man in den Unternehmen neu denken. Ist das schon angekommen in den Unternehmen? Heinzlmaier: Nein, überhaupt nicht. Ich höre bei vielen Diskussionen zu diesem Thema: Ich kann das Wort „WorkLife-Balance“ nicht mehr hören. Das ist auch ein Generationen-Problem. Es wird über kurz oder lang notwendig sein, dass sich die Unternehmenskulturen ändern und sich vor allem den Ansprüchen der höher Gebildeten anpassen. Interessanterweise sind es gerade die Leute aus dem oberen Gesellschaftsdrittel, die sehr viel Wert darauf legen: Familie, ein Leben, das nicht rund um die Arbeit gebaut ist und mehrere Sinnquellen hat. Was müssen Unternehmen also jungen Menschen bieten, damit sie dort arbeiten und auch führen wollen? Heinzlmaier: Unsere letzten Studien haben gezeigt: Ein sicherer Job ist den Leuten vor allem in unsicheren Zeiten sehr wichtig, weil sie Ankerpunkte suchen, um ihre Position stabilisieren zu können. Materielle Fragen rücken auch sehr stark in den Vordergrund gerade in Zeiten der Krise. Und es geht um den respektablen Umgang mit ihrem Leben außerhalb der Arbeit. Vor allem für die höher Gebildeten stellt sich immer wieder die Sinnfrage: Sie wollen etwas machen, was ihren Werten entspricht. Ist die 4-Tage-Woche die Zukunft? Heinzlmaier: Die 4-Tage-Woche ist oft eine Mogelpackung. Ich stehe ihr sehr skeptisch gegenüber, weil wir ohnehin die Tendenz zur Arbeitszeitverdichtung haben: Es muss in kürzerer Zeit immer mehr erledigt werden. Es gibt kaum Leerlauf mehr – Zeiten, in denen sich die Menschen erholen können. Die berühmte gemeinsame 10-Uhr-Kaffeepause gibt es ja gar nicht mehr. Wenn man jetzt die Arbeit auf vier Tage konzentriert, dann stehen die Leute unter einem immensen, gesundheitsschädlichen Druck, denn das Volumen wird ja nicht weniger. Wenn es dann auch noch mit einer Einkommenseinbuße Hand in Hand geht in Zeiten, in denen die Leute jeden Euro brauchen, ist es noch viel weniger eine gute Idee. Junge wollen Verantwotung – aber nicht immer Bernhard Heinzlmaier Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung Wien Die Arbeit ist nicht mehr die zentrale Sinnquelle des Lebens. Die Familie ist ins Zentrum gerückt. würden diese natürlich auch für Frauen mit Kindern interessant – ein Potenzial, das bisher nicht ausgeschöpft wird. In den vergangenen fünf Jahren waren laut Gender Leadership Gap 48 Prozent aller Beschäftigten in Österreich Frauen, aber nur 35 Prozent der Führungskräfte. Dieser Wert hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert. Und dieses Ungleichgewicht zieht sich – abgesehen vomUnterrichtswesen – durch alle Branchen. Die typischen Führungskräfte und Manager sind nach wie vor männlich, über 50, haben mindestens Matura und keinen Migrationshintergrund. Diese Gruppe ist zwar nur mit einem Anteil von fünf Prozent in der Erwerbsbevölkerung vertreten, stellt aber 16 Prozent aller Führungskräfte. Dabei ist der Nutzen von Diversität längst bewiesen: Gibt es in den Führungsetagen mehr gemischte Teams, steigt die Wahrscheinlichkeit für überdurchschnittlich hohe Erträge. Dasselbe gilt übrigens für Migranten: Unternehmen mit diversen Belegschaften erzielen bis zu einem Drittel mehr Gewinn als solche, die völlig homogen sind. Manager mögen keine Kontrollfreak-Eigentümer Trotz Mehrarbeit und Übereinsatz sind die Führungskräfte laut dem Arbeitsklima Index zufriedener als Beschäftigte ohne Führungsaufgaben – und zwar nicht nur mit ihrer Bezahlung, sondern vor allem mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten, ihrer sozialen Position, ihren Rechten, ihren Weiterbildungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Vor allem Gestaltungsfreiheit und Entwicklungsmöglichkeiten sind zwei Argumente, mit denen Headhunter Klinger Kandidaten zum Wechseln animieren kann: „Natürlich muss das Gehalt passen, aber Geld, Position und Aufstiegsmöglichkeiten sind nicht mehr das allein Entscheidende, sondern mindestens genauso die Soft Facts: Wie frei kann ich agieren? Welche Entwicklungsmöglichkeiten habe ich? Kann ich gestalten? Gibt es eine Vision des Eigentümers und klare Ziele?“ Manager könnten Kontrollfreaks als Eigentümer oder Aufsichtsrat gar nicht mehr leiden. „Vergessen wird oft, dass für Führungskräfte wie für alle Mitarbeiter Wertschätzung sehr wichtig ist.“ Derzeit wird Polen nach MINT-Kräften abgegrast Das beginne schon beim Erstkontakt: Auf eine Nachricht via LinkedIn reagieren gefragte Kandidaten längst oft nicht mehr – sie bekommen zu viele davon. Deswegen setzt Trescon im Recruiting auf Direktansprache und das Kontaktieren per Telefon. Das Unternehmen mit Sitz in Linz und Standorten in Wien, St. Pölten und Salzburg besetzt jährlich rund 200 Stellen. Außerdem ist die Personalberatung Teil eines weltweiten Headhunter-Netzwerks. Im gezielten Headhunting geht es um eine sehr viel gezieltere Vorgehensweise als beim Active Sourcing, bei dem hauptsächlich Recherche im Internet, TEILZEIT-CEO Ô Führung versus Verantwortung – das ist nicht dasselbe. Die Jungen wollen sehr wohl Verantwortung übernehmen, aber nicht zwingend eine Führungsrolle. Bertram Klinger Geschäftsführer Trescon

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