Chefinfo Magazin 03-22

Haustür stattfindet. Das macht die Betroffenheit groß. Aber alle haben die Situation auch unter- schätzt. Das Thema Atom- kraft erhält nach der Katastro- phe in Tschernobyl, an die ich mich gut erinnern kann, eben- so einen anderen Stellenwert“, erklärt Chansri ihre persönli- che Meinung. Die Volkshilfe unterstützt an allen Ecken und Enden. Finanziert werden die- se Leistungen von EU, Bund, Land und dem Steuerzahler. „Das Land Oberösterreich hat die Volkshilfe beauftragt, die Sachspendenlogistik durch- zuführen. Gemeinsam mit einer Transportfirma aus Pasching schicken wir stets neue Lkw-Lieferungen direkt ins Kriegsgebiet oder an die Grenze zur Ukraine. Hier kommen Frauen mit Kindern völlig verzweifelt und erschöpft mit nur einem Plastiksack an“, schildert Jas- mine Chansri die Situation. Die in St. Georgen im Attergau aufgenomme- nen Waisenkinder aus der Ukraine wer- den von MitarbeiterInnen der Volkshilfe betreut und es werden weitere Unter- künfte für die Flüchtlinge organisiert, die sie nach maximal drei Nächten in den Notschlafstätten beziehen können. Die meisten Geflüchteten wollen jedoch, sobald es möglich ist und Frieden ein- kehrt, rasch zurück in die Ukraine. In Österreich erhalten die ukrainischen Flüchtlinge vollen Zugang zum Arbeits- markt, was auch dem nationalen Fach- kräftemangel – wenn auch eventuell nur auf Zeit – entgegenwirken soll. Strategien und Konzepte werden vom Land Ober- österreich, dem AMS Oberösterreich und der Privatwirtschaft vorangetrieben. Perspektivenwechsel gefordert Einen Mangel an qualifizierten Mitar- beitern verzeichnet auch die Volkshilfe OÖ selbst. Aktuell sind rund 1.700 Mit- arbeiterInnen in 33 Berufsfeldern von Gesundheit und Pflege über Arbeits- marktpolitik, die Begleitung von Men- schen mit Beeinträchtigung bis hin zur Migrationsarbeit tätig. Doch die Pande- mie und das negative Image im Bereich Pflege treiben den Verantwortlichen Sor- genfalten auf die Stirn. Denn die Betreu- ung der Menschen muss sichergestellt werden, was bald nicht mehr möglich sein wird. „Es müssen die Rahmenbedin- gungen attraktiver werden. Dabei geht es aber nicht nur um Geld, sondern auch um die Sinnhaftigkeit des Berufs. Und es müssen auch Quereinstiege finanziert werden“, fordert Chansri. n 3/2022 | CHEFINFO | 45 44 | CHEFINFO | 3/2022 GESPRÄCH. Von der Schülervertreterin aus dem Franckviertel zum Jura- studium in Graz bis hin zur Geschäftsführerin der Volkshilfe Oberösterreich: Jasmine Chansri nimmt die soziale Partizipation der Gesellschaft ins Visier. FOTOS: MECGREENIE WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT J asmine Chansri ist Halbthailän- derin, ihre Mutter Österreiche- rin und ihr Vater Thailänder. In Linz geboren, lernte sie bereits sehr früh, wie es sich anfühlt, wenn man nicht die volle Bandbreite an Chancen im Leben vor sich hat. „Geprägt haben mich meine alleinerziehende Mutter, meine Kindheit im damals berüchtigten Franckviertel und die Tatsache, dass mein Vater trotz akademischer Ausbildung in Österreich nicht Fuß fassen konnte. Daher habe ich auch Jus studiert“, sagt die heute 42-Jäh- rige und erinnert sich daran, eines der ersten migrantischen Kinder auf der Linzer Landstraße gewesen zu sein. Für den Menschen Zu Menschen, die es nicht leicht im Leben haben, eine Brücke zu bauen, dafür trat die Linzerin bereits im Alter von zehn Jahren in der Schülervertre- tung ein. Und sie tut es heute einmal mehr als Geschäftsführerin der Volks- hilfe OÖ. Mit 1. Juli 2021, dem ersten Tag als neue NGO-Leiterin, schließt sich damit ein Kreis. „In Zeiten, in denen Menschen durch Pandemie, Inflation und aktuell dem Krieg die Teilnahme an der Gesellschaft erschwert oder gar ver- wehrt wird, sind NGOs wie die Volkshil- fe unabdingbar. Wir sind die Ergänzung zur Privatwirtschaft und Politik, um die Grundversorgung der Gesellschaft zu erhalten“, so Chansri. Die Volkshilfe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1947 als Unterstützung für Öster- reicher in Nöten gegründet. Daraus ent- wickelte sich die Kern-DNA, nämlich Menschen zu helfen. Hilfe, die ankommt Unterstützung und Migration erfah- ren in diesen Wochen wieder einmal einen neuen Stellenwert. Seit Wochen, nicht einmal 500 Kilometer von Öster- reichs Grenze entfernt, steht militäri- sche Gewalt auf der Tagesordnung. Das Engagement von allen Seiten für die Ukraine ist enorm. „Der große Unter- schied zur Flüchtlingswelle 2015 ist, dass nun der Krieg unmittelbar vor der „Eines der ersten migrantischen Kinder auf der Landstraße“ TEXT: Verena Schwarzinger Jasmine Chansri Geschäftsführung Volkshilfe OÖ Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um die Sinnhaftigkeit des Berufs. Jasmine Chansri Geschäftsführung Volkshilfe OÖ In Krisenzeiten sind NGOs unabdingbar und sichern die Grundversorgung der Gesellschaft mit ab. t ZUR PERSON Jasmine Chansri wurde am 6. März 1980 in Linz geboren. Bereits in der Schule und in ihrer Jugend bei der Sozialis- tischen Jugend OÖ engagierte sich die Halbthailänderin für soziale benachteiligte Mitmen- schen. Sie studierte Rechts- wissenschaften in Graz und trat 2003 in den Oberöster- reichischen Landtag ein. Seit 1. Juli 2021 ist Jasmine Chansri Geschäftsführerin der Volkshilfe OÖ.

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