Chefinfo Magazin 03-22

COVERSTORY 3/2022 | CHEFINFO | 29 28 | CHEFINFO | 3/2022 FOTO: FOTOSTUDIO MEISTER EDER COVERSTORY weltweit unter Lieferengpässen. Gerade zu Beginn der Pandemie sorgte das für zum Teil kuriose Blüten. „Der Mangel an Desinfektionsmittel und Handschuhen am Anfang war wirklich peinlich. Die EU sollte für die kritische Infrastruktur dringend etwas tun und die europäische Produktion fördern.“ Kompromisse statt grenzenloser Verfügbarkeit Der Beschaffungsprozess ist nach wie vor mühsam. „Vieles ist aktuell nicht ver- fügbar. Warum das so ist, verstehen wir bei gewissen Produkten selbst nicht.“ Manche Warengruppen wären weder von Logistikproblemen, Vormaterialver- teuerungen oder mangelnden Arbeits- kräften betroffen, dennoch bleiben die Preise hoch: „Wahrscheinlich gibt es in gewissen Bereichen so etwas wie eine künstliche Verknappung.“ Laut Gerlin- ger müsse sich daher das Kundenver- halten ändern, denn: „Es gibt für nicht lieferbare Produkte immer Alternativen. Aktuell bekommen wir keine frei ste- henden Bettgalgen, aber es gibt ande- re praktikable Lösungen. Wir waren schon alle sehr verwöhnt. Man muss vielleicht ein wenig umdenken und sich davon lösen, dass alles in allen Farben, Größen und Formen immer ver- fügbar ist. Die Basisver- sorgung ist aber nicht gefährdet.“ Ungefähr- det, ja fast perfekt, läuft nach wie vor der Ver- sand. „Wir liefern sehr viel nach Deutschland. Selbst zu Stoßzeiten gab es kaum Irr- läufer oder Verzögerungen.“ Markt„auto“matismen Verzögerungen müssen hingegen Käufer von Neu- und Gebrauchtwagen in Kauf nehmen. Wobei Doris Seipl, Geschäfts- führerin des Autohauses Seipl in Leon- ding, ihren Kunden Rosen streut. „Kun- den warten teilweise länger als zwölf Doris Seipl Geschäftsführerin Autohaus Seipl Wenn Kunden lange auf ihre Neu- wagen warten müssen, gibt es keine Autos, die wir eintauschen können, und damit keine Gebrauchten. Monate auf ihren Neuwagen, und den- noch haben wir keinen einzigen verlo- ren. Sie zeigen Verständnis. Das schätze ich sehr.“ Wer aufs neue Auto nicht war- ten möchte oder kann, der sieht sich mit einem leer gefegten Gebrauchtwagen- markt konfrontiert. Eine fast logische Situation: „Wir haben einen Rückstau. Wenn Kunden lange auf ihre Neuwagen warten müssen, gibt es keine Autos, die wir eintauschen können und damit kei- ne Gebrauchten.“ Für Seipl hat sich die Situation „komplett gedreht“, zum einen weil „früher der Druck vom Hersteller da war und der Markt stückzahlgetrie- ben war. Nun wird bei manchen Marken das Ziel ausgesetzt, weil die Händler es nicht mehr beeinflussen können.“ Zum anderen, weil „meine Verkäufer zu Ein- käufern wurden. Wir kaufen mittlerwei- le aktiv zu, sehen uns am privaten Markt und auf Versteigerungen um.“ Preise für Gebrauchtwagen auf Neuwagenniveau Drei Jahre alte Autos erreichen dabei ein Preisniveau, das schon fast am ehe- maligen Neuwagenpreis liegt. Der Kun- de muss dabei Kompromisse schlie- ßen und ist auch bereit dazu. „Wenn sich ein Produktionsslot ergibt, greifen wir schnell zu. Wir nehmen, was wir bekommen können. Auch Autos mit außergewöhnlichen Ausstattungsvari- anten oder Motorisierungen, um den Kunden etwas bieten zu können.“ Seipl könnte dabei ihre Autos im Schauraum sofort verkaufen, doch: „Wir brauchen die Modelle zu Präsentationszwecken.“ Ein Trost bleibt aber: „Egal welche Marke, es geht allen am Markt gleich.“ Die Autoproduktion nach Österreich zurückzuholen scheint auf den ersten Blick kurios und doch gibt es sie: „Der Jaguar I-Pace wird in Graz gebaut. Da haben wir einen kleinen Vorteil. Durch den Wegfall von Zoll- oder Logistikthe- matiken wie bei außereuropäischen Marken kann man den Markt einiger- maßen rasch bedienen.“ Wie rasch sich der Energiehunger Europas bedienen lässt, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Doch auch auf längere Sicht wird der Einkauf wohl der härteste Job der Welt bleiben. Ob die Energieminister in Katar, Saudi-Arabien oder den USA ihre Ministerien mit Drehtüren ausstatten, steht noch in den Sternen, hängt aber wohl auch von der Lieferbarkeit ab. n Der Mangel an Chips trifft die Auto- industrie hart. Trotz voller Auftragsbücher stehen Produktions- linien in deutschen und österreichischen Werken still. COMPUTE RCHIPS FOTOS: MYKOLA POKHODZHAY / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS

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