Chefinfo Magazin 03-22

COVERSTORY 22 | CHEFINFO | 3/2022 INTERVIEW. Wenn Russland als Lieferant ausscheidet, werden wir im gesamten Energiebereich, egal ob Gas, Öl oder Strom, mit wesentlich erhöhten Einkaufs- wie auch Verkaufspreisen zu rechnen haben, sagt Bernd Zierhut, Geschäftsführer der Doppler Gruppe. INTERVIEW: Klaus Schobesberger D ie Spritpreise sind zuletzt stark gestiegen, der Diesel wird knapp – hat man als größter privater Tankstellen- betreiber überhaupt Bewegungs- spielraum beim Einkauf? Bernd Zierhut: Wir sind nicht nur der größte private Tankstellenbetreiber, son- dern auch der größte Händler in Öster- reich. Über unser gesamtes Vertriebs- netzwerk wird mehr als eine Milliarde Liter Treibstoffe verkauft. Die Einkäufe erfolgen entweder auf Spot- (Tagesbasis) oder auf Term-Basis (Jahresverträge). Bei den sogenannten Term-Verträgen werden Zeitperioden von Notierun- gen herangezogen und daraus wird ein durchschnittlicher Einkaufspreis gebil- det. Bei den internationalen Notierun- gen ist aber auch der Wechselkurs zwi- schen Euro und US-Dollar für einen günstigen Einkauf entscheidend. Sämt- liche mineralischen Produkte, egal ob auf Rohölbasis oder auf Fertigprodukt- basis, werden in US-Dollar gehandelt. Der Mix bzw. der Anteil der Spot-Ver- käufe im Verhältnis zu den Term-Ver- käufen wird jährlich festgelegt und rich- tet sich nach Angebot und Nachfrage. Derzeit gehen wir davon aus, sollte Russ- land mittelfristig als Lieferant ausschei- den, dass wir im gesamten Energiebe- reich, egal ob Gas, Öl oder Strom, mit wesentlich erhöhten Einkaufs- wie auch Verkaufspreisen zu rechnen haben. Die Preisunterschiede an den Tank- stellen sind zum Teil erheblich. Wie ist das möglich? Zierhut: Wesentliche Preisunterschiede an den Tankstellen können wir derzeit nicht feststellen. Da sich die Versor- gungslage wie zuerst beschrieben als knapp darstellt, gibt es in der Preisgestal- tung wenigeMöglichkeiten. Auffällig ist, dass Diesel derzeit wesentlich teurer ein- gekauft wird als Benzin – obwohl Ben- zin ja das „edlere“ Produkt darstellt. Die Marktanomalie können wir seit Ende Februar 2022 beobachten. Hintergrund scheint zu sein, dass derzeit keinerlei russische Schiffe mit den Mitteldestil- laten im arabischen Raum gehandelt werden. Dadurch kommt es in Gesamt- europa zu einer größeren Verknappung von Mitteldestillaten, ebenso durch das Embargo im amerikanischen Handels- raum. Das führt seit März 2022 zu der ematik, dass Gasöl wesentlich teurer bepreist wird wie Benzin. Spot oder Term 3/2022 | CHEFINFO | 23 geht uns immer noch verdammt gut.“ Die Branche rüstet sich jedenfalls auch gegen den Klimawandel und drohende Versteppung einst fruchtbarer Ackerbö- den. Es werden neue bzw. alte Getreide- arten wiederentdeckt wie Sorghumhirse, die mit extremer Hitze besser umgehen kann. „Die Bauern beginnen, sich lang- sam umzustellen. Wenn Düngemittel teuer werden, wird man sich überlegen müssen, wie der Boden selbst Stickstoff bildet. Dazu brauchen sie Bodenlebe- wesen wie den Wurm. Bauern müssen wieder unabhängiger von großen Agrar- konzernen werden und sich die Frage stellen, wie sie wieder zum Bauern wer- den.“ Bräuer sieht die Landwirte wie einst die Bäcker. Es überleben nur jene, die sich weg von der Industrie wieder etablieren. „Sie müssen sich wieder mit ihrem Handwerk beschäftigen.“ Getriebene der Ereignisse Handwerk, das durch Spezialmaschi- nen wie Sä- und Dreschmaschinen von Wintersteiger aus Ried unterstützt wird. Als Michael Kirchmeir vor sechs Jahren die Position des Einkaufsleiters bei Win- tersteiger einnahm, war die Welt noch eine andere. Man könnte auch sagen: Sie war noch in Ordnung. Man achtete auf Wechselkurse, Durchlaufzeiten, digitale Anbindungen – Pandemien, Geopo- litik, Klimathemen oder gar Krieg vor der Haustür hatte wirklich niemand auf dem Radar. „Aktuell sind wir Getriebe- ne der Ereignisse“, sagt der Manager. Eine Taskforce jagt die nächste, um Pro- bleme brüchiger Lieferketten zu lösen. Dabei geht es nicht so sehr um die direk- ten Lieferanten selbst, mit denen das Team um Kirchmeir ohnehin laufend in Kontakt steht, sondern um die gesam- te Sublieferantenkette. Wie gut moni- toren die Lieferanten ihre Lieferanten? Ein kritischer Bereich ist zum Beispiel Stahl. Ukraine und Russland sind wich- tige Stahlproduzenten für Westeuropa. Ein Fünftel aller Stahlimporte in die EU kam im Vorjahr aus Russland, zehn Pro- zent aus der Ukraine. Russland ist sorgung zu spüren bekommen könn- ten. „Der Preis für Getreide hat schon angezogen. Österreichischer Weizen ist europaweit begehrt, vor allem Italien kauft viel bei uns ein. Der Bauer ums Eck schlägt auf den Weltmarkt durch.“ Bräuer selbst hat schon im Herbst alles eingekauft, was haltbar ist: „Sesam, Leinsamen, Sonnenblumenkerne oder Speiseöl. Man hört immer wieder ein Geflüster und man bekommt mit der Zeit ein Gespür für den Markt.“ So viel wie möglich wird aus Oberösterreich bezogen. Bräuer ist Gründungsmitglied der „Troadbäcker“, einer Vereinigung, die sich seit dem Jahr 2000 der Ver- wendung oberösterreichischer Rohstoffe verpflichtet hat. Für den Bäcker ist der eingeschlagene regionale Weg nun dop- pelt lohnend. Er kennt seine Lieferan- ten. „Den, den man kennt, lässt man nicht so leicht fallen. Es gibt schließlich das Heute, das Morgen und das Über- morgen und das Gestern auch. Es ist daher so, dass man in solchen Zeiten das Getreide bekommt, das man braucht. Wir haben als Troadbäcker schon immer mehr bezahlt.“ Manchmal, gibt Bräuer zu, lacht er sich ins Fäustchen. Einst belächelt, bringt der regionale Weg nun einiges an Sicherheit, dennoch „wer- den Preissteigerungen kommen, allein wenn man bedenkt, dass zwei Drit- tel des Weizens für Nordafrika aus Russland und der Ukraine kommen. Das kann man nicht kompensieren. Wenn wir den Afrikanern alles wegnehmen, setzen sie sich in Bewegung.“ Bauern denken um Für Bräuer könnte das zu einer Bewusst- seinssteigerung bei den Konsumenten führen: „Man wirft vielleicht nicht mehr so viel weg und wird dankbarer, denn es Über unser gesamtes Vertriebs- netzwerk wird mehr als eine Milliarde Liter Treibstoffe verkauft. Bernd Zierhut CEO Doppler Mineralöle Harald Allerstorfer Geschäftsführer DIG Gerade im Mittelstand ist der strategische Einkäufer nicht selten ein klassischer Bestellschreiber. Damit geht Potenzial verloren. FOTOS: FOTO STUHLHOFER-WOLF GMBH, LICHTLINIEN.AT, AHMED GOMAA / ACTION PRESS / PICTUREDESK.COM Stockende Lieferket- ten. Das Container- schiff „Ever Given“ blockierte für meh- rere Tage den Suez- kanal und verschärfte damit die Lieferkrise im Welthandel. DIG-Geschäfts- führer Harald Allerstorfer sieht Liefer- kettensorgfalts- pflichtgesetz oder Green Sourcing als Booster für vermehrten strategischen Einkauf. Ô

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