Chefinfo Magazin 03-22

Einkäufer und Geschäftsführer vor allem eine Frage: Wie kann ich meine Lieferket- ten widerstandsfähiger machen, um die Produktion aufrechtzuerhalten? „Das ist ein Paradigmenwechsel“ Mario Stifter, Geschäftsführer von HAKA Küche, kennt das Thema genau: „Als ich vor 20 Jahren auf der Uni Controlling sowie strategisches Management studiert habe, hat es immer einen Leitsatz gege- ben: Es gibt eine gewisse Lieferanten- und es gibt eine gewisse Abnehmer-Macht. Dieses Gefüge hat sich in den letzten Jahren eindeutig verschoben in Richtung Lieferanten-Macht.“ Bei Verknappung der Ware hat der Lieferant dieser Ware eine größere Macht als der Abnehmer. Preis- verhandlungen? Gibt es in dieser Form nicht mehr. „Das ist ein Paradigmen- wechsel, den wir schon vor einigen Jah- ren erkannt haben, und uns darum nur auf regionale Lieferanten fokussiert haben. Deshalb geht es uns besser als anderen Herstellern, die ihre Werke in verschiede- nen Ländern haben“, sagt Stifter. Holzplat- ten liefern österreichische Industriebetrie- be wie Kaindl oder Egger. Beschläge und Läden kommen vom Weltmarktführer Blum aus Vorarlberg. Damit ist zu 85 Pro- zent die Küche fertig. Zubehörteile, Spü- len und Elektrogeräte werden vorwiegend aus Deutschland angeliefert. Zu Bosch, Miele, Bora oder AEG habe man sehr gute persönliche Kontakte aufgebaut. Eine langjährige Partnerschaft auf Augenhöhe. „Deshalb haben wir noch Ware erhalten, wo andere vielleicht nichts mehr bekom- men haben. Wenn ich meinen Lieferan- ten beim Vornamen kenne, habe ich eine andere Gesprächsbasis. Es im Einkauf wie überall im Leben: Es menschelt.“ Prophet und Pokerspieler Der Trauner Küchenhersteller ging immer schon eigene Wege. Bei Rabatt- schlachten auf der Großfläche machte das 1930 gegründete Familienunterneh- men nicht mit und baut auf ein eigenes Händlernetz. Auch bei der Beschaffung hat man sich gegen den Trend entschie- den: Mit dem Beginn der Pandemie und der Einführung der Kurzarbeitsmaßnah- men sind Gerätehersteller mit der Pro- duktion zum Teil um 40 Prozent zurück- gefahren, die Bestellungen gingen aber etwa um diesen Wert nach oben. HAKA hat zu dieser Zeit ein Hochregallager errichtet und kaufte im großen Stil Elekt- rogeräte amMarkt ein, um sie im Fall des Falles verfügbar zu haben. Es war eine Mischung aus Weitblick und Pokerspiel, weil es ja auch anders hätte kommen können. „Wir wussten, dass Österreich eine der höchsten Sparquoten Europas hat. Reisen und Autokauf waren nicht oder kaum möglich. Dank der Kurzar- beitsregelung waren die Einkommens- verluste der Österreicher überschaubar. Unsere Kunden, überwiegend Teil der qualitätsbewussten mittleren Ein- 3/2022 | CHEFINFO | 19 FOTO: STOCKVISUAL / E+ / GETTY IMAGES COVERSTORY FOTO: WAKOLBINGER Einkäufer haben den derzeit härtesten Job der Welt. Diese Erfahrung machen aktuell auch Regierungschefs und Minis- ter, die sich in Doha die Klinke in die Hand geben. Zuletzt sorgte der deutsche Wirtschaftsminister, der Grüne Robert Habeck, in dieser unfreiwillig gewähl- ten Rolle für Aufsehen: Zähneknir- schend musste er im nicht gerade als menschenrechtsfreundlich verschrie- nen Katar neue Energiequellen für die deutsche Industrie verhandeln. Sogar die Spitzenpolitik wird zum Chefein- käufer, und da heißt es, über seinen Schatten zu springen. Wenn der deut- sche Bundeskanzler angesichts des rus- sischen Angriffskriegs in der Ukraine von einer Zeitenwende für die Europäi- sche Union spricht, dann gilt das umso mehr für die Globalisierung. Für Liefer- ketten, auf die seit 50 Jahren seit Ein- führung des Schiffscontainers unsere gesamte arbeitsteilige Wirtschaft auf- baut, beginnt eine neue Weltordnung. Zu den Folgen dieses Wandels könnte eine Rückverlagerung von Arbeitsplät- zen und Fabriken zurück ins Herkunfts- land gehören. Etwas, das bis vor Kurzem noch als undenkbar galt. Risse in den Lieferketten Galt es doch fast als Naturgesetz der Globalisierung, die Fertigungstiefe dras- tisch zu verringern, Zulieferer mit den niedrigsten Kosten aus den entferntesten Winkeln der Welt anzuheuern und eine Just-in-time-Organisation für eine Pro- duktionswelt ohne Lagerhaltung aufzu- bauen. Man ging davon aus, dass Roh- stoffe immer billig und weithin verfügbar sein würden. Transporte immer nur einen Bruchteil der beförderten Güter kosten werden. Und drittens, dass diese Trans- porte immer zuverlässig die Waren lie- fern. Doch bereits 2018, mit dem Beginn des Handelskriegs zwischen den USA und China, wurden erste Risse in den Liefer- ketten sichtbar. Diese vergrößerten sich mehr und mehr mit der Covid-19-Pan- demie, den Naturkatastrophen und durch die Invasion in die Ukraine und den damit verbundenen Ausfall von Produktions- und Transportkapazitäten. Derzeit bewegt Ô Mario Stifter Geschäftsführer HAKA Küche, Traun Wenn ich meinen Lieferanten beim Vornamen kenne, habe ich eine andere Gesprächsbasis. Es ist im Einkauf wie überall im Leben: Es menschelt. Boom bei Lager- flächen. Aufgrund der Verknappung von Waren bauten Unter- nehmen ihre Lager- kapazitäten aus, um Produktionsstopps zu vermeiden.

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