Chefinfo Magazin 4-22

KLIMANEUTRALE UNTERNEHMEN. Firmen, die rechtzeitig in die Klimaneutralität investiert haben, werden heute doppelt belohnt. Doch wie wird ein Unternehmen überhaupt klimaneutral oder sogar klimapositiv? Zwei Beispiele, die zeigen, wie es geht. FOTOS: MACHACEK, PEACH_ISTOCK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS UMWELT UMWELT K laus Pichlbauer, Geschäftsfüh- rer von Innovametall in Frei- stadt, ist wohl einer der weni- gen Menschen in Österreich, der beim Anblick der Energiekosten ein Lächeln im Gesicht hat. Denn in seinem Unter- nehmen läuft der Stromzähler rück- wärts. Der energieintensive metallver- arbeitende Betrieb produziert nämlich mehr Energie, als er verbraucht, und kann überschüssigen Strom verkaufen. „Ich war lange als Spinner verschrien.“ So nennt ihn nun keiner mehr. Seit zwölf Jahren arbeitet Innovametall bereits an einer praktikablen Lösung für die First and Last Mile. Innovametall baut unter anderem Fahrradabstellplätze, aber auch Systembalkone. Bei jedem einzel- nen Produkt wird überlegt, wie es die Umwelt entlasten könnte. Pichlbauer stellte sich daher logischerweise die Frage, wie das gesamte Unternehmen klimaneutral werden könnte. Gesagt, getan: Heute ist Innovametall klimapo- sitiv. Ganz auf Gas verzichten kann der Betrieb zwar noch nicht, was aber mehr an den Anlagenherstellern liegt als am technisch Machbaren. „Bei der Pulver- beschichtung benötigen wir hohe Tem- peraturen. Von den Herstellern hieß es immer: Die Basis ist Erdgas. Wir wol- len das aber künftig anders lösen.“ Pichl­ bauer wählte einen radikalen Ansatz: Die komplette Energie wird mit Sonne und Wind erzeugt. „Egal ob Gas jetzt aus Russland oder sonst wo herkommt, das hat nie etwas Demokratisches, weil mir alles vorgeschrieben wird und ich das nicht beeinflussen kann.“ Statt Stromrechnung, Stromgutschrift Es gelang mit einer 2-MW-PV-Anlage, die sogar einen Energieüberschuss erzeugt. „Wir bekommen keine Rech- Betriebs- „klima“ TEXT: Jürgen Philipp Klimaneutralität aus der Vogelperspektive: Der Großhändler Machacek setzt auf eine riesige Dach-PV-Anlage. 94 | CHEFINFO | 4/2022 4/2022 | CHEFINFO | 95 nung vom Energieversorger, sondern eine Gutschrift.“ Dennoch darf aus tech- nischen Gründen nur ein Viertel des Überschussstromes ins Netz eingespeist werden. Was passiert mit dem Rest? Pichlbauer kaufte Elektroautos, nicht nur um den Mitarbeitern die Hin- und Rückfahrt zum Arbeitsplatz zu ermögli- chen, sondern auch um sie als Puffer zu nutzen. Fehlt Strom im Unternehmen, werden die Autos zum eigenen Kraft- werk. „Dank der bidirektionalen Leitung können umgekehrt unsere Mitarbeiter mit dem Strom aus den Autos Kochen und Fernsehen. Die E-Autos sind Teil unseres Gesamtenergiesystems.“ Damit wird keine einzige Kilowattstunde ver- geudet. Doch Pichlbauer „spinnt“ bereits weiter. Der Überschuss soll schon bald zur Erzeugung von grünem Wasserstoff dienen und somit konventionelles Gas gänzlich ersetzen. Für ihn ist das die globale Überlebensstrategie Europas im Kampf der weltwirtschaftlichen Blöcke schlechthin. „Die USA können wir in der IT kaum noch einholen und pro- duziert wird in Asien. Was bleibt uns dann noch? Die Umwelttechnologie, sonst haben wir fast nichts mehr.“ Und da ist Europa, Österreich und vor allem Oberösterreich gut aufgestellt. Pichlbau- er muss dabei nicht weit reisen. Öko- fen liegt in direkter Nachbarschaft, kein Wunder, wenn die Betriebshalle über eine Kontraktlösung von Ökofen beheizt wird. „Es funktioniert, es ist alles da. Es war unser Antrieb, es zu beweisen und ein Exempel zu sein.“ Und das Ganze rechnet sich. „Wir zahlen nicht für Ener- gie, wir verdienen daran. Bei den derzei- tigen Preisen reden wir daher von einem ROI von ein paar wenigen Jahren.“ CO 2 -Zertifikate: Lücken- schluss zur Klimaneutralität Doch wie wird man eigentlich klimaneu- tral? Diese Frage stellte sich der Groß- händler für das Bau- und Baunebenge- werbe Machacek in Wels. „Wir haben uns letztes Jahr entschlossen, als einer der Ersten in der Branche klimaneut- ral zu werden, wussten aber noch nicht ob und wie wir das erreichen“, schildert Geschäftsführer Markus Dietach. Man suchte einen Partner, der dabei unter- stützt hat. Drei große Energietreiber stan- den im Fokus: Gebäude, Prozesse und Transport. „Die IST-Analyse zeigte uns Erkenntnisse auf, die uns vorher gar nicht so bewusst waren. Wir hätten nicht ein- schätzen können, wie viel wir emittieren.“ Aus der Analyse wurden Maßnahmen abgeleitet: Der Fuhrpark wurde elektrifi- ziert, LEDs eingebaut und das Dach der Firmenzentrale mit PV-Anlagen gedeckt. Danach wurde wieder gemessen. „Wir wussten genau, welche Restmenge wir noch haben, die wir noch nicht abde- cken können.“ Vor allem der konventio- nelle Lkw-Fuhrpark lässt sich nicht erset- zen. Elektro- oder Wasserstoff-Trucks sind noch nicht praktikabel genug. Zertifikate im „Gold-Standard“ Dennoch wollte man die Restemissionen kompensieren und setzte auf den Zer- tifikatkauf. „Wichtig war uns, dass die- ser Gold-Standards aufweist, den haben nur wenige Anbieter.“ Die Berechnun- gen wurden geprüft, validiert und die Rest-Emissionen mit Zertifikaten abge- deckt. Mit den Einnahmen durch den Zertifikatshandel werden Wälder aufge- forstet, Windparks errichtet oder Klima- projekte unterstützt. „Wir können uns nun klimaneutral nennen, doch das Zer- tifikat ist zeitlich begrenzt, daher set- zen wir weitere Maßnahmen, um unse- re Emissionen zu senken.“ Für Dietach werden sich Unternehmen aller Art mit dem Thema auseinandersetzen müssen. „Das ist schon längst angekommen.“ Grünes Bauen sei aber ein unumkehr- barer Trend, der sich „schon bald vor allem in öffentlichen Ausschreibungen niederschlagen wird.“ Man ist also schon längst kein „Spinner“ mehr, wenn man sich Klimaneutralität auf die Fahnen hef- tet, denn es zahlt sich richtig aus. Ô Klaus Pichlbauer Geschäftsführer Innovametall Markus Dietach Geschäftsführer Machacek Wir zahlen nicht für Energie, wir verdienen daran. Bei den derzeitigen Preisen reden wir daher von einem ROI von ein paar wenigen Jahren. Die IST Analyse zeigte uns Erkenntnisse auf, die uns vorher gar nicht so bewusst waren. Wir hätten nicht einschätzen können wieviel wir emittieren.

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