Chefinfo Magazin Wels 03-21

schwer zu bekommen sind, widme ich einen Teil meiner Arbeitszeit der Suche danach. Glücklicherweise hatte ich den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht viel Erfolg und habe nun genug For- schungsgeld für die nächsten drei bis vier Jahre“, so der Wissenschaftler. Seit März 2020 nicht mehr im Büro Die Suche nach Forschungsgeld findet übrigens seit geraumer Zeit im Home- office statt. Der Pandemie geschuldet. „Ich war seit März 2020 nicht mehr in meinem Büro und alle Meetings sind seit diesem Zeitpunkt online. Weil in Massachusetts relativ spät vernünftige Maßnahmen in Kraft getreten sind, gibt es seit einem Jahr relativ drasti- sche Einschränkungen“, schildert Jan Drugowitsch. Aber kein Nachteil ohne Vorteil. Der 43-Jährige konnte und kann viel Zeit mit seiner Frau und der inzwischen drei Monate alten Toch- ter verbringen. „Und wir haben die ‚South End‘-Nachbarschaft, in der wir in Boston leben, besser kennengelernt“, sagt Drugowitsch. Kühles Bier im Gastgarten Normalerweise kommen der Wissen- schaftler und seine Frau zweimal im Jahr nach Europa. Einmal im Sommer und einmal umWeihnachten. „Das sind dann jeweils längere Aufenthalte in Österreich und in Frankreich, wo die Eltern und Geschwister meiner Frau leben“, sagt der Welser. Und was darf bei diesen Auf- enthalten in seiner Heimatstadt nicht fehlen? „Es geht mir hauptsächlich dar- um, Familie und Freunde zu sehen. Aber ich genieße gerne ein kühles Bier und gutes österreichisches Essen in einem Gastgarten. Und ich bin gerne in den Alpen und Voralpen unterwegs. Die USA haben zwar auch Gebirgsketten, aber die kommen der Schönheit unserer Alpen nicht nahe“, schwärmt der Uni- Professor, der zwar gerne in den Staa- ten lebt, aber nicht blauäugig ist. „Einer- seits werden die USA als das ‚Land of the Free’ verkauft, andererseits sind die US-Amerikaner Autoritäten gegenüber übertrieben hörig. Durch mein Leben in der Akademikerblase von Harvard betreffen mich diese extremen Gegen- sätze zwar nur wenig, aber es ist trotz- dem schwierig, sie zu ignorieren“, so Drugowitsch. n WELS SPEZIAL CHEFINFO WELS | 75 WELS SPEZIAL 74 | CHEFINFO WELS W ir erforschen in meinem Labor, wie das Gehirn Berechnungen durchführt, um relativ simple, aber essenzielle Ent- scheidungen zu fällen. Dafür kombinie- ren wir Methoden der Künstlichen Intel- ligenz, der Physik sowie der Ökonomie und verwenden Wissen der Hirnbiolo- gie, um Modelle zu formulieren. Spezi- fisch arbeiten wir derzeit an der Frage, wie das Gehirn mehrdeutige Sinnesein- drücke interpretiert“, erklärt Jan Drugo- witsch und der Laie bleibt mit offenem Mund zurück. Einfacher zu verstehen ist die Art der Anstellung des Welsers in Harvard. „Meine Anstellung ist eine ‚soft money position‘. Mein Fokus ist die Forschung und ich unterrichte rela- tiv wenig. Das bedeutet, dass ich mein eigenes Gehalt zum Großteil durch Forschungsgelder finanzieren muss“, sagt Drugowitsch. Derzeit werden zir- ka 80 Prozent seines Gehalts durch For- schungsgelder von den National Insti- tutes of Health (NIH) bezahlt und ein weiterer kleiner Teil durch einen Scho- lar Award einer Foundation. „Meine Mitarbeiter und Studierenden werden zu 100 Prozent durch Forschungsgel- der bezahlt. Da solche Gelder generell Jan Drugowitsch an seiner Wirkungsstätte an der medizinischen Fakultät der renom- mierten Harvard-­ Universität an der Ostküste der USA. In der Akademiker- blase von Harvard KARRIERE. Der gebürtige Welser Jan Drugowitsch lehrt und forscht seit 2016 an der „Medical School“ der renommierten Harvard-Universität. Was genau er dort macht, wie er die Pandemie erlebt und was er in den USA vermisst, hat er uns im Interview verraten. TEXT: Andreas Schmolmüller ZUR PERSON Jan Drugowitsch (43) ist verheiratet und seit rund drei Monaten stolzer Vater einer Tochter. Ausbildung: HTL Wels Maschi- nenbau; Architekturstudium an der TU Graz (nach 1. Abschnitt abgebrochen); 3 Jahre BSc Intelligent Systems an der University of Reading, UK; 3 Jahre Doktoratsstudium Informatik an der University of Bath, UK. Berufliche Stationen bislang: Postdoktoratsstudium im Department of Brain & Cog- nitive Sciences, Universi- ty of Rochester, NY; Post- doktoratsstudium im Dépar- tement d‘Études cogniti- ves, École normale supérieu- re, Paris; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universi- tät Genf. Seit April 2016 Leiter eines Labors für Computatio- nal Neuroscience an der Har- vard Medical School (derzeit fünf Mitarbeiter). Hobbys: Kochen, Laufen, Lesen, Wandern, Wissenschaft Wäre Trump wiedergewählt worden, hätte ich mir Gedanken über eine baldige Rückkehr nach Europa gemacht. Jan Drugowitsch Aus Wels stammender Harvard-Professor FOTOS: PRIVAT Der ausgewanderte Welser Jan Drugowitsch bei einem Ausflug in den Yellowstone-Nationalpark.

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