Chefinfo Magazin 02-21
WIRTSCHAFT 22 | CHEFINFO | 2/2021 Schon jetzt fehlen 500 Arbeitsmedizi ner in Österreich, was sich aufgrund der bevorstehenden Pensionierungswellen noch verschärfen wird. Hier brauche es innovative Lösungen: „Als Wirtschafts kammer plädieren wir für die Installie rung einer Gesundheitsfachkraft – ähn lich der Sicherheitsfachkraft –, die dort eingesetzt werden kann, wo kein spezi elles medizinisches Knowhow gefragt ist. Auch die gesetzlich vorgesehenen Einsatzzeiten sind zumindest in Betrie ben mit mehr als 50 Mitarbeitern zu hoch, wo keine besondere Gefahrenge neigtheit vorliegt. Hier bedarf es einer Umschichtung, das heißt des geziel ten Einsatzes der Arbeitsmediziner in jenen Bereichen, wo aufgrund der unter nehmerischen Tätigkeit mehr Gesund heits und Unfallrisken bestehen.“ Auch Krenn plädiert für ein modernes Prä ventionsgesetz und verweist dabei auf Deutschland, wo ein solches 2016 in Kraft getreten ist. Ein Gesetz zur Stär kung der Gesundheitsförderung und der Prävention, welches auch die Grundla gen für die Zusammenarbeit von Sozi alversicherungsträgern, Ländern und Kommunen und den Betrieben in den Bereichen Prävention und Gesundheits förderung für alle Altersgruppen und in vielen Lebensbereichen in den Blick nimmt. Win-win-Situation Es geht alles in Richtung Gesundheits management, aber das Gesetz zieht nicht nach. Die klassische Arbeitsme dizin selbst wird immer weniger benö tigt. Ein Grund: Im Produktionsbe trieb kommen vermehrt Roboter und Maschinen zum Einsatz – Arbeitsplätze am Schreibtisch brauchen etwas ande res. Das bestätigt auch die Arbeits und Umweltmedizinerin Karin Grafl aus Sar leinsbach. „Die Arbeitsmedizin hat sich gewandelt. Es waren früher sehr viele VorsorgeGesundheitsuntersuchungen, die braucht man vielfach nicht mehr. Heute geht immer Technik vor Perso nenschutz. Deshalb ist die Arbeitsme dizin in den Hintergrund getreten.“ Die Ärztin übt die Arbeitsmedizin als zwei tes Standbein aus. „Man war in Betrieben sehr ungern gesehen. Das hat mich leicht gewurmt“, erinnert Grafl, die dann 2010 begonnen hat, an der JKU Wirtschafts wissenschaften zu studieren. Zusätzlich hat sie sich in der Umweltmedizin aus bilden lassen und arbeitet bei der Dach marke ecofairbau mit. „Hier bemühen wir uns, dass wir die Rauminnenquali tät gesundheitlich so best möglich produzieren und das Immunsys tem damit stärken“, erklärt die Medizi nerin. Mittlerweile berät sie Unterneh WIRTSCHAFT 2/2021 | CHEFINFO | 23 BETRIEBSARZT. Ein Gespräch mit dem Unfallchirurgen und Arbeitsmediziner Axel Mechtler über seine Arbeit als Betriebsarzt in den Unternehmen Schachermayer und Rechberger in Linz. S ie sind Unfallchirurg am Kep- ler Universitätsklinikum. Was reizt Sie zusätzlich an der Aufgabe als Betriebsarzt? Mechtler: Es ist eine willkommene Abwechslung zur Alltagstraumatolo- gie. Mehr Zeit für Menschen zu haben, gelingt in einer Firma besser als in einem Krankenhaus. Die grundlegen- den arbeitsmedizinischen Aufgaben des Betriebsarztes wie das Achten auf die richtige Ergonomie amArbeitsplatz oder die Gesundheitsförderung sind ohnehin gesetzlich geregelt. Was mich reizt, ist das persönliche Gespräch. Ich bin Voll- blutmediziner, der mit beiden Beinen im Leben steht. Die Leute schätzen das. Es ist wie in einer Landordination, wo einen die Patienten sehr gut kennen. Es herrscht Mangel an Arbeitsmedi- zinern. Merken Sie das? Mechtler: Ich habe allein im vergange- nen Jahr fünf bis sechs Angebote von Unternehmen erhalten, sie zusätzlich zu betreuen. Früher haben vor allem Frauen die Ausübung ihres Berufs als Arbeits- medizinerin geschätzt, weil sie die Auf- gabe gut mit einemTeilzeitjob verbinden konnten. Heute bieten Krankenhäu- ser flexible Arbeitsmodelle an. Daher machen viele Mediziner den Job, der sie mehr interessiert – und die Arbeitsmedi- zin findet keinen Nachwuchs mehr. Was hat sich an der Aufgabe des Betriebsarztes geändert? Mechtler: Die Zahl der Arbeitsunfälle hat insgesamt abgenommen. Dafür hat in den vergangenen Jahren die psychische Belas- tung in allen Formen im Arbeitsalltag Einzug gehalten. Es gibt mehr Zeitdruck, Auftragsdruck und Erfolgsdruck. Hat der Faktor Gesundheit im Unter- nehmen an Wert gewonnen? Mechtler: Aus medizinischer Sicht ja. Das Rauchen wurde reduziert und das ema „Alkohol“ ist auf breiter Ebene zurückgedrängt worden. ImMitarbeiter- Journal des Unternehmens werden zunehmend Gesundheitsthemen wie aus- gewogene Ernährung oder richtige Hebe- techniken angesprochen. Was ich nicht mache, ist dem Hausarzt die Gesund- heitsuntersuchungen abzunehmen. Ich führe keine Blutabnahmen oder Choles- terinuntersuchungen durch. Die Vorbildwirkung der Chefs ist heute auch eine andere? Mechtler: Ich denke schon. Die Zeiten, wo man am Abend weg war und am Morgen verkatert in die Arbeit gekom- men ist, sind vorbei. Man wird viel mehr beobachtet. Gerade während der Corona-Zeit sind Menschen sensibili- siert, auch was die Bereitschaft betrifft, Masken im Unternehmen zu tragen. Wenn Vorgesetzte sich nicht an Regeln halten, warum sollten es dann die Arbei- ter und Angestellten tun? Bei Rechberger funktioniert die Kommunikation zwi- schen Mitarbeitern, Vorgesetzten und Betriebsarzt hervorragend. Viele Unternehmen bereiten sich auf das Thema „Impfen“ vor ... Mechtler: Das ist in vielen Unternehmen nicht durchführbar, weil der logistische Aufwand einfach zu groß ist. Von Land und Bezirksbehörden organisierte Impf- straßen zu nutzen, wo auch Betriebsärz- te eingebunden sind, ist in den meis- ten Fällen die bessere Lösung. Es macht wenig Sinn, wenn ich Hundertschaf- ten allein im Betrieb impfen wollte. Ich darf als Betriebsarzt keine klassischen Arzt-Dienstleistungen vornehmen, des- halb fehlen auch technische Lösungen wie das E-Card-Steckgerät. Aber ich hät- te als angestellter Krankenhausarzt auch gar nicht die Zeit dafür. Mehr psychische Belastung Dr. Axel Mechtler, Unfallchirurg im Kepler Universitätsklinikum, ist als Betriebsarzt im Zweiwochenrhyth- mus bei den Firmen Schachermayer / Rechberger tätig. Dr. Axel Mechtler Unfallchirurg und Arbeitsmediziner Was mich reizt, ist das persönliche Gespräch. Es ist wie in einer Land- ordination, wo einen die Patienten sehr gut kennen. Die Leute schätzen das. FOTO: HERMANN WAKOLBINGER Firmen mit einer Unternehmenskultur, die den Mitarbeitern Vertrauen und Wert- schätzung entgegen- bringt, haben in der Pandemie einen klaren Vorteil. Erhard Prugger AUVA-Landesvorsitzender Arbeitnehmerschutz wird in Ober- österreichs Betrieben gelebt. Wir haben hier mittlerweile ein unglaublich hohes Niveau. „Mehr Eigenverant- wortung muss unser erklärtes Ziel sein, wenn wir unser Sozi- alsystem auch für die nächste Generation erhalten wollen“, sagt der AUVA-Landesboss. Ô FOTOS: WKOÖ, OLGA KURBATOVA / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, SKYNESHER / E+ / GETTY IMAGES
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